Orchestrierte Kommunikation in Zeiten von Social Media

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Dies ist ein Gastbeitrag von Dr. Ulf Schmidt

Eine starke, kreative und relevante Leitidee reicht nicht aus, um Zielgruppen im Social Web zu erreichen. Die explosionsartige Vermehrung von Kommunikationskanälen, -mechaniken und -plattformen sowie die damit einhergehende Fragmentierung von Zielgruppen fordert zusätzlich die Fähigkeit der Orchestrierung. Anstatt atemlos Zielgruppen auf neuen Trendplattformen mit taktischen Einzelmeistern hinterherzulaufen, geht es darum, durch gezielte Auswahl und Einsatz von Instrumenten die Kunden auf relevanten Kanälen zu erreichen, zu binden und möglichst als Multiplikatoren zu aktivieren. War das Instrumentarium für die Orchestrierung in der Vergangenheit eher überschaubar und setzte sich überwiegend aus bezahlten Push-Medien zusammen, so bietet sich heute ein kaum mehr zu überschauendes Repertoire an „neuen“ Plattformen und Kanälen, die insbesondere mit Bindungs- und Pullmechanismen für eine spannende Ergänzung sorgen.

Am Anfang steht die Instrumentenkunde

Die konfrontierende Gegenüberstellung klassisches Push-Advertising versus moderne Social Media Kommunikation ist sinnlos und hinfällig. Es geht heute und in Zukunft weniger um Konkurrenz der Medien, als um die sinnvolle strategische Verbindung. Nur die Kombination der Stärken verschiedener Instrumente führt zu einem harmonischen Ganzen, das in der Lage ist, alle Kommunikationsziele zu erreichen. Dafür ist es entscheidend wichtig, die verfügbaren Instrumente zu kennen, zu bewerten und nach ihren individuellen Möglichkeiten am richtigen Ort des Kommunikations-Ökosystems einzusetzen.

Um das musikalische Bild der Orchestrierung aufzugreifen: Der Komponist muss zwar nicht unbedingt jedes einzelne weltweit verfügbare Medium kennen: von der mongolischen Schalmei bis zum Yak-Horn. Dafür wird er sich im Zweifelsfall eines Arrangeurs bedienen. Er sollte aber die verschiedenen Instrumentengruppen genau kennen – und das trifft auch für die Marketingkommunikation zu. Wo der Komponist Streicher, Holz- und Blechbläser, Schlaginstrumente, sowie elektrische und elektronische Instrumente kennt, sollte die Marketingkommunikation in Owned, Earned und Paid Media unterscheiden und sie strategisch einsetzen können.

Owned Media: Bestehende Kontaktpunkte bewerten und nutzen

Als Owned werden alle Kommunikationsmittel bezeichnet, die ohne zusätzliches Mediabudget in eigener Hoheit bespielt werden können. Dazu gehören zunächst natürlich die eigene Webseite, bestehende Newsletter, Broschüren, Kataloge, Flyer. Aber es lohnt sich, den Begriff des Kommunikationsmittels weiter zu fassen und etwa Telefonwarteschleifen, Produktverpackungen, Email-Signaturen, Messen und Events ebenso einzubeziehen, wie Mitarbeiter, Partner und ihre Kommunikationsmittel, Kassenbons, Rechnungsbeileger usw.

Zumeist dürfte bereits eine Bestandsaufnahme vorhandener Kommunikationswege zu einem recht beträchtlichen Inventar an möglichen Kontaktpunkten führen, die auch für Social Media Aktivitäten bespielt werden und zum Reichweiteaufbau in einer relevanten Zielgruppe beitragen können.

Da sich auf den meisten Social Media Plattformen wie Facebook, Twitter, YouTube eigene Unternehmensaccounts und –seiten erstellen lassen, können auch sie zu den „owned media“ gerechnet werden. Allerdings mit zwei bedeutenden Unterschieden: Erstens müssen sie sich ihr Publikum neu aufbauen, eigene Fan- und Followerschaften gewinnen – möglichst kostengünstig durch Einsatz der vorhandenen Owned Media. Zweitens sind sie viel stärker als die oben genannten Medien dialogisch orientiert: Das verlangt vom Unternehmen die kontinuierliche Bereitstellung (und das heißt auch: Erstellung) von Inhalten und die kontinuierliche Kommunikation mit den Usern.

Bevor diese Aufwände durch den Launch von Social Media Kanälen verursacht werden, ist deswegen im Einzelfall die Frage zu stellen, ob diese Zusatz-Touchpoints überhaupt Sinn machen. Oder ob nicht die „Sozialisierung“ anderer owned media wie die eigene Webseite viel erfolgversprechender sind, um Kunden und Interessenten durch Social Media Mechaniken und offenen Dialog zu binden: Das Kundenforum der comdirect, die IKEA hej-community, die Fressnapf-Community und AMEX sind gute Beispiele, wie sich die eigene Webpräsenz „sozialisieren“ lässt und damit zu Bindung und möglichem word-of-mouth führt.

Earned Media: Reichweite-Multiplikation

Als Earned Media würde man traditionell vor allem Presseberichte bezeichnen. Dazu kommt nun im Social Web eine ganze Reihe neuer Earned Media, die aber andere Anforderungen an die Beziehungspflege stellen. Die Multiplikatoren und Influencer im Social Web agieren zumeist deutlich weniger professionell und verlangen daher größere Individualität in der Ansprache und im Umgang mit ihnen: Hobbyblogger/innen, Forenbetreiber und Forenmoderatoren, Heavy User auf ciao.com, Top-Bewerter auf Amazon oder themennahe Twitterer mit großer Followerschaft finden sich hier neben den Online-Ablegern traditioneller journalistischer Angebote.

Die große Chance besteht darin, durch anhaltende Beziehungspflege mit den Multiplikatoren, durch das Auffinden von Influencern in der eigenen Kundendatenbank und ihre Einbeziehung in Kampagnen zusätzliche Reichweite zu „verdienen“. Neben klassischen Presseartikeln gewinnt das Markenbotschaftertum und word-of-mouth durch bestehende Markenfans zunehmend an Wichtigkeit für eine erfolgreich orchestrierte Kampagne.

Das stellt die interne Kommunikationsorganisation vor einige Herausforderungen. In der Vergangenheit waren Advertising, CRM und Public Relations aus gutem Grund getrennte Abteilungen. Im Social Media Zeitalter macht diese Trennung zunehmend weniger Sinn. Die Erfahrungen der PR in der Kontaktpflege zu Multiplikatoren und im Finden starker „Stories“ ist für eine gut orchestrierte Kommunikation ebenso wichtig, wie die Erfahrungen des Kundenmanagements und die Markenfokussierung aus dem Advertising. Da einige Multiplikatoren vielleicht zugleich Kunden sind, einige Kunden (aber nicht alle) vielleicht durch einen eigenen Blog oder eine große Twitter-Gefolgschaft wiederum Social Media Influencer, ist die Zusammenarbeit zwischen CRM und PR wichtiger denn je und wandelt sich zu einem gemeinsamen Public Relation Management

Paid Media: Neue Kontaktpunkte setzen

Während Owned Media im Wesentlichen bestehende Kontakte verstetigen und die Bindung verstärken, Earned Media für zusätzliche Reichweite sorgen sollen, haben Paid Media die Aufgabe, neue Interessenten oder Kunden auf effiziente Weise schnell zu erreichen. Nachdem eine Zeit lang der Traum von der viralen Werbung suggerierte, man müsse nur hinreichend witzige Kommunikationsobjekte erstellen, um ohne Einsatz von Mediabudget gigantische Reichweiten durch Weiterleitung zu erzeugen, zeigt sich nunmehr, dass für den Reichweitenaufbau Paid Media sinnvoll wenn nicht gar unerlässlich sind. Social Web Aktivitäten gewinnen durch gezielten Einsatz von Paid Media einen schnelleren Reichweitenaufbau und höhere Awareness jenseits bestehender Beziehungen und Kontakte und machen Kampagnen weniger Abhängig von der Weiterleitungsfreudigkeit der erreichten User.

Dabei ist die Skala an Paid Media erheblich breiter geworden: Facebook Ads und Sponsored Stories, YouTube Platzierungen, seriöses Viralseeding gehören ebenso in dieses Instrumentarium wie gezieltes Bannering oder Paid Search. Das lässt zwar ein Stück weit Abstand nehmen von der Überzeugung, Social Media sei kostenlos – erhöht aber im gezielten und bewussten Einsatz auf sehr kosteneffiziente Weise die Wirkung und Verbreitung der Kommunikationsmaßnahmen.

Von der Instrumentenkunde zur Orchestrierung

Aus diesem Inventar von Owned, Earned und Paid media lassen sich sowohl kleinere Aktivitäten und Minikampagnen orchestrieren, wie umfassende Social Web Strategien ableiten. Das heißt nicht, dass jedes Instrument überall zum Einsatz kommen muss. Vielmehr macht die Instrumentenkunde möglich, in einer gegebenen Aufgabe die geeigneten und effizientesten Mittel auszuwählen.  Gelegentlich kann das Weglassen modischer Kanäle die Effizienz erheblich erhöhen – denn was zumeist übersehen wird, ist, dass insbesondere die Social Web Aktivitäten intensive Echtzeit-Moderation, Bereitschaft zum lebendigen Dialog und kontinuierliches Bereitstellen von interessanten und relevanten Inhalten erzwingen.

Mangelnde Moderation oder Contentarmut sind die Hauptursachen für frustrierende Kampagnenerfahrungen sowohl auf Seiten der Unternehmen wie bei Kunden und Fans. Zur Orchestrierung gehört deswegen auch die Erstellung von Contentplänen und die Produktion und Bereitstellung dieser Contents. Es gehört vor allem aber auch dazu, Abteilungs- und Silogrenzen im Unternehmen zu überwinden und auch hier „orchestriert“ zu agieren.

Aber wie denn nun genau?

Die beste Orchestrierung nützt nichts, so lange niemand weiß, welche Musik für wen gespielt und was damit erreicht werden soll. Ziele, Zielgruppen und ein Leitthema oder eine Leitidee müssen definiert werden, bevor die konkrete Orchestrierung einsetzt. Zugleich zeigt sich, dass die Orchestrierung wiederum stärker in die Idee und die Konzeption zurück wirkt, als etwa eine herkömmliche Mediaplanung. Kampagnenorchestrierung ist deswegen nicht nur ein strategischer, sondern zugleich ein kreativer Prozess und erfordert die enge Zusammenarbeit von Kreation und Media.

Aber damit noch nicht genug der internen Anforderungen: In dem Maße, wie orchestrierte Kommunikation den Rahmen klassischen Advertisings überschreitet, gehört die interne Zusammenarbeit von Marketing, PR, CRM, Customer Care, Produktmanagement und nicht zuletzt Sales zum entscheidenden Erfolgskriterium. Kunden und Fans halten sich erfahrungsgemäß nicht an thematische Kanalvorgaben des Unternehmens: Wer eine Servicefrage oder eine Reklamation anbringen will, nutzt den Kanal, der sich dafür gerade bietet. Dass das Unternehmen hier eigentlich nur über Werbeinhalte oder über aktuelle Rabatte reden wollte, schert die Zielgruppe herzlich wenig. Deswegen fordert Orchestrierung im Zeitalter von Social Media nicht nur Instrumentenkunde und Instrumentenauswahl aus unzähligen Kanälen, sondern sie erfordert zudem und besonders die Ein- und Abstimmung aller Mitspieler auf ein gemeinsames Konzert.

Wenn Sie mehr zum Thema "Social Media Orchestrierung und Kampagnen" erfahren möchten, besuchen Sie Dr. Ulf Schmidts Intensivseminar bei den Social Media Strategietagen am 12./13. Oktober in München. Infos und Anmeldung hier.

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