Das Kommunikationsumfeld in Zeiten der Aufregungsökonomie verstehen - Erster Rückblick auf das #d2mtalk-Spezial

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Das #d2mtalk-Spezial am 13.12. war ein intensiver Austausch zur aktuellen Situation des kommunikativen Umfeldes und der Medien, der Antworten der Unternehmen auf diese Situation und den Konsequenzen für Kommunikationsansätze sowie zum Kommunikations- und Engagement-Management in diesem Kontext.

Das Spezial-Langformat unserer wöchentlichen Live-Talkreihe findet immer im Sommer und Winter zum Abschluss des Halbjahres statt und diskutiert in größeren Runden jeweils ein Thema aus unterschiedlichen Perspektiven. Die Dezember-Veranstaltung war dabei in vier thematische Blöcke unterteilt, die wir hier nochmals aufarbeiten wollen.

In diesem Beitrag befassen wir uns mit dem ersten Block, bei dem es um die Diskussion des aktuellen Kommunikationsumfeldes und den Merkmalen der aktuellen Medienlandschaft ging. 

Von der Notwendigkeit einer digitalen Resilienz zur Rolle der Journalisten und Medien

Den Einstieg in die Diskussion bildete ein Gespräch mit Dr. Stephan Weichert (VOCER - Institut für digitale Resilienz) und Joachim Graf (Hightext Verlag). Es ging um die Zustandsbeschreibung der heutigen Kommunikaitons- und Medienlandschaft.

Stephan Weichert stellte fest, dass sich eine klare Fragmentierung der Öffentlichkeit durch Filterblasen und Echokammern erkennen ließe - mit einer Zunahme von Klein-Öffentlichkeiten, in denen jeder in seiner eigenen Filterblase lebt. Diese Entwicklung sei für ihn auch ein politisches Thema, da die Dynamik mancher Themendiskussionen fast manipulativen Charakter hat. 

Joachim Graf ergänzte, dass die Medienlandschaft klar von einer Aufregungsökonomie geprägt und geleitet ist, die Auslöser für eine hohe Dynamik in der Entwicklung der modernen Gesellschaft sei. Die Entwicklung sei geprägt durch die Veränderung von der Massenkommunikationsgesellschaft zur 1:1 Kommunikationsgesellschaft. Verstärkt wird die Entwicklung dabei durch Algorithmen und Medien, die immer mehr Aufmerksamkeit brauchen und immer schneller werden. Er forderte als Konsequenz, dass Unternehmenskommunikation von dem schnell drehenden Kreislauf verabschieden und den Mut zur Lücke haben muss.

Stephan Weichert bestätigte, dass sowohl für die Menschen, aber auch die Organisationen und die Gesellschaft das große Rauschen sehr viel Stress erzeugt. Die Plattform-Konzerne wie Meta und Co verdienen hier ganz klar an dem Aufmerksamkeitsstreben. Hier müssten die Medien sich eher von der Entwicklung distanzieren und einen Gegenpol bilden, aber in der Realität fördern sie das Ganze noch. Stephan Weichert sieht in diesen Zeiten der Poly-Krisen eigentlich eine besondere Verantwortung bei den Medien - sowohl gesellschaftlich als auch in Bezug auf die eigenen Mitarbeitenden - sprich die JournalistInnen.

Für Joachim Graf lässt sich die Entwicklung nicht auf der moralischen Ebene verändern, für ihn braucht es hier eine systemische Sicht, die auf allen Ebenenen Aufklärung und Befähigung fördert. Es müsste gelernt werden, dass “nicht jede Person mit Vornamen auf die Seite 1 ihrer Titel zu bringen” ist. Die Journalisten müssten sich auf das Wichtigste konzentrieren und Einordnung sowie Zusammenfassung bieten.

Die Rolle der Journalisten sieht Joachim Graf in der Analyse und Interpretation von Informationen statt in der bloßen Übertragung von Daten. Sie sollten relevante Informationen aus einer großen Menge an Daten herausfiltern und klar sowie verständlich zusammenfassen. Da die Verbreitung der Inhalte durch Algorithmen organisiert ist, können Journalisten in diesem Spiel gar nicht gewinnen. Hier muss sich das Rollenverständnis ändern, was dann auch immer eine Veränderung für den Stress-Level in diesem Tätigkeitsfeld hat.

Zusammenfassung ist festzustellen, dass das derzeitige kommunikative Umfeld ein sehr schwieriges und dynamisches Umfeld darstellt, wo es gilt, durch klare Positionen etwas mehr Ruhe in das Geschrei zu bringen.

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Von der Bedeutung der Unternehmenskommunikation für die Gesellschaft zum Chance Management

Im zweiten Teil des Diskussionsblockes ergänzten die Runde noch Prof. Dr. Thomas Pleil (Universität Darmstadt) und Dr. Roland Heintze (Faktenkontor). Kern der Diskussion war, welche Konsequenz die aktuelle Kommunikationssituation für die strategischen Ansätze hat.

Thomas Pleil eröffnete die Diskussion mit dem Hinweis auf die für ihn größte Gefahr, das fragmentierte Umfeld mit der Öffentlichkeit zu verwechseln und Rückmeldungen der Follower als repräsentativ wahrzunehmen. Mit der starken Beschleunigung der Informationsverbreitung gilt es nach Pleil auch für Unternehmen dagegen zu steuern. Letztendlich kann es nicht sein, dass Unternehmen nur nach Aufmerksamkeit streben, sondern auch nachhaltig eine Akzeptanz und ein Vertrauen aufbauen. Auch die gesellschaftliche Rolle und der gesellschaftliche Beitrag sollte für ihn heute stärker in Betracht gezogen werden.

Roland Heintze unterstrich die Wichtigkeit von Authentizität in der Kommunikation von Unternehmen im Nachrichtenmarkt. Er wies darauf hin, dass das “Aufhüpfen” und das “Schnell-mal-Mitmachen” bei kommunikativen Trends oft schief gehen kann. Wichtiger sei es für ihn in diesen Zeiten, passende Themen auszuwählen und diese konsequent umzusetzen. Und wenn schon auf Diskussionstrends aufgesprungen wird, dann müsste durch semantische Analysen gewährleistet werden, das sie für die eigenen Themen relevant und im passenden Kontext ohne Wiedersprüche mit anderen eigenen Kommunikationsinhalten stehen.

Joachim Graf entgegnete aber, dass auch die Gesellschaft lernen muss, dass bestimmte Dinge “nicht gut sind”. Als Menschen müssten wir das Thema “Achtsamkeit” ernster nehmen - sowohl im nachhaltige Umgang mit den Ressourcen unserer Umwelt als auch mit uns Menschen und der Kommunikatikon. Insgesamt stimmte er zu, dass Unternehmen umdenken und Dinge entschleunigen müssten - und auf keinen Fall die Aufregung auch noch monetär unterstützen dürften. In der Kommunikation müssten sich dabei die Kennzahlen ändern, aber sei schwieriger Lernprozess.

Stephan Weichert stellte nochmals heraus, dass Unternehmen nicht mit Wohlfahrtsvereinen zu verwechseln seien. Sie haben in der Regel eine Gewinnorientierung, die sie auch kommunikativ in eine Rolle bringen. Ein formulierter “Purpose” müsste dabei auch ganzheitlich vertreten können - sonst sei dass auf der Rezipientenseite auch schnell durchschaubar. Zu Achtsamkeit gehört dann für ihn auch Authentizität - und letztlich Diversität und Agilität im Kommunikationsansatz.

Thomas Pleil ergänzte hierzu, dass eine Themenhierachie natürlich das Handwerkszeug einer guten Content Strategie und strategische Kommunikation sei. Aber - "Action Speaks Louder Than Words" - also, dass wie sich das Unternehmen im Alltag verhält, bildet den Grundstein für die Wahrnehmung. Wenn die Ressourcen-Endlichkeit und das Engagement in Nachhaltigkeitsthemen in den Mittelpunkt der Kommunikation gesetzt würde, aber das Handeln des Unternehmens in der Öffentlichkeit auf irgendeiner Ebene dem wiederspricht, dann ist das ein Problem. Für ihn gilt daher, dass Kommunikation nicht nur an Kunden gerichtet sein, sondern auch im eigenen Unternehmen beginnen muss. Erst wenn die Themen für die Mitarbeitenden verständlich ist und sie danach im Markt handeln, dann sei das auch glaubwürdig.

Auch die Rolle von kommunizierenden Akteure wie z.B. Management und Führungskräfte und Kommunikationsberatungen sollte dabei nach Pleil kritisch diskutiert werden. Kommunikationsprofis sollten immer darauf bedacht sein, dass ihre Kommunikation sauber und verantwortungsvoll ist. Roland Heintze sah bei dem Vermögen der Unternehmen und ihrer Akteure ein zweigeteiltes Bild. Zum einen die Unternehmen, die die neue digitale Kommunikationslandschaft verstehen, ständig beobachten und gezielt die Gespräche und Narrative aussteuern. Und andere, die sich im Tagesgeschäft selbst überholen. Oftmals sei hier auch die Organisationsaufstellung für das Thema Kommunikation nicht passend - sprich nicht integriert, sondern eher funktional nach Unternehmenskommunikation, Brand-Kommunikation, Social Media und Customer Service-Kommunikation aufgeteilt.

Das Schlusswort der Diskussion kam dann von Stephan Weichert, der betonte, dass Unternehmen auch die kommunikativen Chancen in diese Zeiten der Krisen erkennen und nutzen sollten. Er sieht Führungskräfte hier in der Verantwortung, das Chance Management zu kultivieren – das Erkennen „guter Gelegenheiten“.


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