Digitale Spiele und die deutsche Kulturnation

Ein Drittel der Deutschen (35,4 Prozent) vergnügen sich mit digitalen Spielen. Ein Drittel der deutschen Haushalte verfügen über eine Spielkonsole.Die meisten Online-Spieler sind mehrmals die Woche im Netz unterwegs.

Dass so viele Menschen so viel spielen, mögen viele Bildungsbürger zunächst kaum glauben. Das digitale Vergnügen wurde erst über die Verbreitung neuer Technologien wie das Internet möglich. Manch ein Angestellter spielt zur Entspannung schnell mal eine Runde Schach, mit einem Menschen, den er im Zweifel gar nicht persönlich kennt.

Die Kids spielen beim Warten auf die Straßenbahn auf ihrem Handy geschwind eine Runde Snake, und Frauen spielen nicht nur Solitäre, sondern üben sich im Gehirnjogging. Die Dunkelziffer der Menschen, die am Bildschirm spielen, ist möglicherweise noch viel höher.

Für die (alten) Bildungseliten ist diese Tatsache ein Gräuel: Die Deutschen, ein Volk von Dichtern und Denkern (oder zumindest Wertarbeitenden), spielen doch nicht. Sehr schnell wurde in Feuilletons und psychologischen Gutachten das Phänomen Computerspiele auf eine einseitige Debatte über die verheerende Wirkung von Killerspielen reduziert. Alle anderen Aspekte rund um Computerspiele wie beispielsweise pädagogische Einsatzmöglichkeiten wurden größtenteils ignoriert. Am liebsten (so der Eindruck nach der Feuilletonlektüre deutscher Zeitungen) würde man grundsätzlich alles Spielen verbieten.

Der Medienrummel um die virtuelle Welt Second Life hat die Diskussion dieses Frühjahr verschärft. Altbekannte Szenarien über den Untergang des Abendlandes wurden herbeigeschrieben und -diskutiert. Die Bürger, so fürchten Kulturschaffende und Politiker, würden in großen Massen in virtuelle, fiktionale Welten flüchten und den Umgang mit der Realität verlernen. Manchmal kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Kulturschaffende und Politiker in ihrer Elfenbeinturm-Mentalität selbst Eskapismus-gefährdet sind.

Die reflexartige negative Reaktion der Kulturindustrie und (alten) Eliten ist historisch betrachtet ganz normal. Sie tritt der jedes Mal ein, wenn neue (Medien-) Technologien die Welt erobern und das Abendland vermeintlich untergeht. Der Buchdruck von Johannes Gutenberg ermöglichte die überraschend schnelle Verbreitung von Luthers Thesen. Das Radio wurde als mindestens gesundheitsgefährdend angesehen, die Einführung des Privatfernsehens als Niedergang der Kultur. Und ja, die Traditionalisten haben recht. Sie sollten sich fürchten. Das Abendland ist jeweils nicht untergegangen, aber die Gesellschaft hat sich jedes Mal ein Stück weit verändert.

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