Kontext als Lösung des Online Dilemmas der Medien

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Diese doch sehr weitreichende Frage ist in Teilen Gegenstand des kommenden Social Media FORUMs, einem weiteren Teil unserer September-Social-Media-Trilogie. Im Mittelpunkt steht dabei die Diskussion um die Funktion und den Wert von "Kontext" für das Angebot von Online Medien. Steffi hat das Thema hier schon einmal angerissen, für die Vorbereitung meiner Moderation möchte ich es aber noch einmal kurz mit meinen eigenen Worten skizzieren und zur Diskussion stellen: Das Dilemma der Medien: Sinkende Refinanzierung durch Werbung aufgrund wegbrechender Eyeballs Im Wettbewerb um die Vorherrschaft bei der Nachrichtenvermittlung mit Google und den sozialen Medien (aka Facebook, Twitter und der Rest) ziehen die Medien immer mehr den Kürzeren. Journalisten stehen bzw. standen noch nie bei News in der "ersten Reihe" - vielmehr sind sie "Zuschauer" und "Nacherzähler" wie jeder Andere. Bisher hatten sie allerdings das Exklusivrecht über die Nachrichtenvermittlung, was im Zuge der "massenhaften Medien" (aka Social Web) aber jedem möglich ist. Eine Nachricht über ein Ereignis kann von jedem Zeitzeugen potentiell gleich vermittelt werden. Und die Möglichkeit einmal im Leben derjenige zu sein, der die "Breaking News" in die Welt gesetzt hat, wird von vielen Personen sehr Ernst genommen. Das Monopol über die massenhafte Vermittlung eines Ereignisses ist also gefallen (Social-Web-Enthusiasten würden sagen - es fand eine Demokratisierung statt!). Gleichermaßen hat sich die Macht von Google als zentraler "Nachrichtenauffindeort" vervielfältigt - denn hier laufen alle Informationen zusammen und hier werden sie gesucht. Nachrichten aus Twitter (als öffentlich zugängliches und damit durchsuchbares Medium) stehen da aufgrund der neuen "Echtzeit"-Suchfunktionen mit Medieninformationen gleichrangig auf der ersten Ergebnisseite. Der Wettbewerb um die raren Plätze auf dieser Seite - oder im speziellen Google-News-Stream - ist ein reiner "Verdrängungswettbewerb". Auf der anderen Seite des Dilemmas stehen die limitierten Ressourcen von Medien, die es kaum ermöglichen überhaupt noch aktuelle Nachrichten bereitzustellen. Insbesondere für die Online Redaktionen, die ja von den "Eyeballs" der Website leben, die in dem beschriebenen Reichweiten-Wettbewerb dahinschrumpfen. Im Ergebnis werden Ressourcen weiter gekürzt und Online Redaktionen bisweilen ganz geschlossen - bzw. auf eine Content-Management-Funktion degradiert. Eine Quersubvention durch Offline ist aufgrund des Mediennutzungswandels von Offline zu Online und den damit noch stärker wegfallenden Abonnentenzahlen noch weniger möglich - was tun also? Ist der Online Journalismus tot, weil er sich nicht (mehr) rechnet? Kontext als ein möglicher Ausweg In der Reduktion der Ereignisvermittlung auf die "Breaking News" ist eins ganz klar auf allen Kanälen abhanden gekommen: die Darstellung des Hintergrundberichts. Was Offline aufgrund der begrenzten Seitenzahlen eigentlich nie wirklich möglich war, wurde online nur in Teilen realisiert. Die Rede ist von "Themen-Dossiers" - also der detaillierten Aufarbeitung eines Ereignisses. Journalistisch recherchiert und damit "Ressourcen" verbrauchend fielen diese Kontextvermittlungen in der Regel unter die Paid-Content-Ansätze. Auch die jüngsten Versuche mit Paid-Content (siehe Strategien von Rupert Murdoch und den deutschen Verlagen) basierten immer wieder auf dem Argument - "man wolle die journalistische Arbeit auch honoriert wissen". Mass Engagement versus  Zahlungsbereitschaft Nun - da aber Kontext das einzig gebliebene Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb um die "Eyeballs" und damit um die Refinanzierung des "Grundnachrichtendienstes" ist - wird genau das zum Problem. Denn die Zahlungsbereitschaft für hochqualitativen Paid-Content ist zwar gegeben, aber nur dort wo er über die Maße hinaus auch Zufriedenheit und Nutzen nach dem KANO-Modell stiftet. So z.B. bei Fachinformationsdiensten wie der Stiftung Warentest, die nach wie vor "gutes Geld" mit einzigartigen Test-Informationen verdienen kann (siehe Beitrag SMF 005). Nimmt die Spezifität und damit Austauschbarkeit der Information allerdings ab, sinkt auch die Zahlungsbereitschaft. Nebenstehend ein kleines Schaubild zum Zusammenhang (nicht wissenschaftlich belegt!), welches ich irgendwie schon letztes Jahr während unseres Social Media FORUM 005 "gescribbelt" hatte. Es basiert auf Gedanken, die uns damals Ralf Hirt (Glam Media) präsentierte. Mit der Abnahme der Spezifität und damit der sinkenden Zahlungsbereitschaft steigt aber in der Umkehr wiederum die Aufmerksamkeit an der Information. Nachrichtenereignisse in der allgemeinen Natur interessieren nun einmal jeden - und "jeder" hat hierzu dann auch wiederum eine Meinung. Genauer gesagt - nicht "jeder" - sondern nach der 90-9-1-Regel immer nur ein kleiner Teil, aber der Rest hört zumindestens aufmerksam zu. Bietet man nun diesem kleinen Teil die Möglichkeit ein integrativer Teil der "Nachrichtenvermittlungsmaschinerie" zu sein, dann ist das ein Hebel um einerseits Ressourcen "zu sparen" bzw. zu substituieren (da sie an anderer Stelle wie z.B. beim Management der Beteiligung, sprich dem Community Management benötigt werden), die "Eyeballs" zu sichern bzw. zu binden und darüber hinaus zusammen mit dem noch kleineren Teil hochengagierter "Eyeballs" weitere Hintergründe zu recherchieren - und damit andererseits mehr Kontext, mehr Nutzwerte (für einen Teil der Leserschaft), mehr Referenzierungspotential (sprich Links und damit Google-Juice) etc. zu bieten. "Social Interaction & Production" als Schlüssel zum Kontext ohne Ressourceneinsatz Im Mittelpunkt der Medienkonzepte des 21. Jahrhunderts muss also eine zweigleisige Strategie stehen: es muss im Meer des Masseninteresses an Nachrichtenereignissen "mitgeschwommen" werden, gleichzeitig müssen allerdings innovative Wege gefunden werden, um aus dem Masseninteresse Kapital zu schlagen und es für die Zusammentragung von spezifischer Qualitätsinformation - sprich Kontext - zu kanalisieren. Im zweiten Schritt steht dann das Prinzip der "Wikinomics" oder medienspezifisch "Leserintegration/-journalismus". Natürlich muss die Integration der Leser in den Nachrichtenerstellungs- und -vermittlungsprozess ein Geben und Nehmen sein, damit es nicht zum AAL-Prinzip (Andere-Arbeiten-Lassen) verkommt. Aber richtig verstanden ist es das Medienkonzept der Zukunft. Mit diesen möglichen Ansatzpunkten, aber auch Herausforderungen solcher Konzepte wollen wir uns beim kommenden Social Media FORUM beschäftigen. So konnten wir Kevin Anderson endlich einmal mit einem Überblicksvortrag zu neuen Ansätzen rund um das Kontext Thema für die Veranstaltung gewinnen, ferner die WAZ-Gruppe mit einem Einblick in das Projekt Lokalkompass.de (Hyperlocal-Konzept), Michalis Pantelouris mit einem Erfahrungsbericht zu seiner "Live-Reportage", Carsten Schüerhoff von Bauer zur Social-Media-Strategie von Bravo.de, Daniela von Heyl (Burda) zum "Freundeskreis"-Projekt und Dr. Maria Grineva zu "TwitterTim.es". Alle Beiträge zeigen unterschiedliche Ansätze zum Thema "Kontext" und damit Mehrwertbildung im Zusammenspiel mit einer mehr oder weniger greifbaren sozialen Gemeinschaft von "Eyeballs". Alternativ zu der Entwicklung des inhaltlichen Formates bieten sich natürlich auch neue Geschäftsmodelle für Medienunternehmen wie z.B. die Investition in Special-Interest-Communities, in spezielle User-Generated-Content-Modelle bzw. -Infrastrukturen etc. Welche Ansatzpunkte es parallel zur Eigenentwicklung entlang der Formatevolution für die Verlage gibt, wollen wir beim Social Media FORUM noch in einer kleinen Diskussionsrunde mit Vertretern der Innovationsabteilungen der großen Verlagshäuser diskutieren. Insgesamt wird daher auch der Teil unserer Social-Media-Trilogie hochspannend und hochrelevant. Wir freuen uns auf das Event, aber auch auf Feedback zu unserem Verständnis von der Medienwelt. Die Diskussion sei eröffnet!

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